300 Kilometer südlich von Vilankulo liegt Tofo, ein Aussteigerort in einer Bucht mit kräftiger Brandung. Das pulsierende Herz des kleinen Fischerdorfs ist ein quirliger Markt mit Obst- und Gemüseständen und kleinen Lebensmittelbuden. Es duftet nach gegrillten Köstlichkeiten aus Fisch und Fleisch, die auf kleinen selbstgebauten Holzkohlegrills zubereitet werden. Lange haben wir uns auf das Tauchen in Tofo gefreut, denn mehr noch als Vilankulo ist Tofo berühmt für weltklasse Tauchen. Es soll hier ein schier endloses Angebot unterschiedlichster Riffe geben. Die Perle dieses Tauchparadieses ist das Manta Reef, an dem man Mantarochen so gut beobachten kann wie nirgendwo sonst. Und Walhaie soll es auch geben.
Bei Einbruch der Dunkelheit kommen wir in Tofo an und fahren uns auf dem Camp-Gelände der Bamboozi Beach Lodge gleich einmal im weichen Sand fest. Wieder einmal heißt es Spaten und Sandbleche auspacken und schaufeln.
Müde schälen wir uns aus dem Bett und gehen hinüber zu Liquid Adventures, der Tauchbasis des Bamboozi und buchen ein Paket mit zehn Tauchgängen.
Dann präparieren wir unsere Ausrüstung und legen sie auf die Ladefläche eines total verrosteten Pickups. Die Karre macht einen Höllenlärm und hört sich an wie ein Dragster. Das Tauchboot – ein Zodiac-Schlauchboot mit Festrumpf und zwei monströsen Außenbordmotoren –, wird hinten angehängt, und über eine steile Rampe geht es hinunter an den Strand. Das Boot wird zu Wasser gelassen und die Ausrüstung darin verstaut. Dann heißt es alle Mann ins Wasser, das Boot über die ersten Kämme der hereinbrechenden Wellen ziehen, schnell hineinspringen und mit Vollgas los, bevor das Boot aus der Richtung gedreht und an den Strand zurückgespült wird.
Mit rasantem Tempo geht es hinaus zum Giants Castle, und wir lassen uns mit einer Rückwärtsrolle über die Schlauchbootswand in das angenehm warme Wasser fallen. Wir sind noch nicht einmal bis zum Grund abgetaucht, als unser Tauchführer Will schon mit ausgestrecktem Arm an uns vorbei deutet: Ein großer Mantarochen gleitet erhaben durch das klare Azurblau! Das Wasser ist fast vollkommen frei von Schwebepartikeln, die Sicht ist exzellent. Erst als die Konturen des Mantas in der Ferne langsam verschwimmen, nehmen wir die tausenden, schwarz-blauen Drückerfische wahr, die sich um uns verteilt haben. Der karge Grund ist übersäht mit einzeln stehenden, schwammartigen Korallen, die ihn wie eine Mondlandschaft aussehen lassen. Wir fühlen uns buchstäblich wie im Aquarium.
Während wir langsam über den Grund gleiten, entdecken wir ständig Neues: einen perfekt getarnten Skorpionsfisch, Sepien, Seesterne, einen rot-weißen Federstern, eine blau-gelbe Seescheide, farbenprächtige Langusten und diverse Weichkorallenarten. Solche Tauchgänge sind es, die uns am liebsten alles vergessen und für immer unten bleiben lassen würden. Doch schließlich holt uns das Piepsen des Computers aus der Märchenwelt zurück in die Realität.
Die nächsten Tauchgänge sind einer so schön wie der andere.
So zum Beispiel Sherwood Forest: Ein Weißbauch-Zackenbarsch und die Schwärme von Blaustreifen-Schnappern gefallen uns hier besonders. Der Weißbauch-Zackenbarsch döst neben einem roten Seestern auf dem felsigen Untergrund und lässt sich geduldig fotografieren. Sein im bewegten Wasser flimmerndes Wabenmuster hebt ihn derart von seiner Umgebung ab, dass es vollkommen surreal aussieht.
Oder Mikey’s Cupbard: Mikey’s Cupbard ist ein verspielter Tauchplatz in fünf bis zehn Metern Tiefe mit vielen kleinen Gängen und Winkeln, in denen es unzählige Meeresbewohner zu entdecken gibt: Muränen, Annemonenfische, Kraken, Rotfeuerfische, Seesterne, Trompetenfische, Krokodilsfische, Sandhaie und vieles mehr.
Der Höhepunkt aller Tauchgänge ist natürlich das Manta Reef. Das Riff verdankt seinen Namen den Mantas, die die hier befindlichen Putzerstationen ansteuern. Auf einem großen Plateau in 20 Metern Tiefe liegen mehrere solcher „Waschstraßen“. Die Mantas umkreisen die Putzerstationen und lassen die Putzfische die Parasiten von ihrer Haut knabbern.
Mit Jay, unserem Tauchführer, der sich trotz seiner Erfahrung bei jedem Tauchgang immer noch begeistern kann wie beim ersten Mal, hocken wir auf dem Grund eines sandigen Grabens und beobachten andächtig das Schauspiel, das sich uns bietet. Wie Raumschiffe umkreisen uns die sanften Riesen zum Greifen nah, und wir müssen aufpassen, das wir vor Staunen nicht unsere Atemregler aus dem Mund verlieren. Alles um uns herum gerät in Vergessenheit, und wir werden eins mit dem Element – bis uns wieder einmal das warnende Piepsen des Tauchcomputers aus unserer Trance holt.
Als wäre das nicht schon genug, haben wir auf dem Rückweg von unserer Tauchexkursion dann auch noch das Glück, einen Walhai zu sehen. Mit Maske, Schnorchel und Flossen springen wir ins Wasser und können ihm ein paar Minuten lang folgen. Etwa fünf Meter ist er lang und damit noch recht klein, aber trotzdem schon beeindruckend groß. Er schwimmt zum Greifen nahe unter uns, dicht unter der Wasseroberfläche.
Einmal einen Walhai zu sehen, das war Christianes sehnlichster Reisewunsch. Nun muss sie sich einen neuen Wunsch ausdenken. Wie wäre es, mit einem Eisbären zu flirten?
Eine kurze Rückkehr in die Realität gibt es nach einem unserer Tauchgänge übrigens, als uns an der Wasseroberfläche ein Anblick ganz anderer Art erwartet: dicke Rauchschwaden, die hinter einer der Dünen in der Nähe des Bamboozi emporsteigen. Sofort machen wir uns auf den Weg zurück. Bange Minuten vergehen, in denen niemand sagen kann, ob es sich tatsächlich um das Bamboozi handelt. Beim Näherkommen gibt es dann endlich Entwarnung, aber das Nachbarresort steht lichterloh in Flammen. Die Gebäude bestehen hier meist aus einfachen Holzkonstruktionen und Strohdächern. Ein Feuer breitet sich blitzschnell aus und macht in Windeseile alles dem Erdboden gleich. Eine Feuerwehr gibt es ebenso wenig wie ein Krankenhaus, wobei ohnehin zweifelhaft ist, ob sie etwas hätte ausrichten können. Das sind die Schattenseiten des Lebens im Paradies.