Die Eindrücke von Petra wirken noch nach und lassen uns unbeschwert in den neuen Tag starten. Heute soll es im wahrsten Sinne über den Jordan gehen, von Jordanien nach Israel.
Unsere Unbeschwertheit allerdings geht bald in höchste Anspannung über. Zwischen den Jordanien und Israel gibt es drei Grenzübergänge, einen im Norden, einen im Süden und einen irgendwo dazwischen am nördlichen Rand des Toten Meers. Da den Informationen des Auswärtigen Amts zu Jordanien und Israel keine Beschränkungen in der Wahl des Grenzübergangs zu entnehmen sind, entscheiden wir uns für den mittleren: die King Hussein Bridge.
Zunächst haben wir größte Schwierigkeiten, den Grenzübergang überhaupt zu finden. Die wenigen Wegweiser, die es gibt, sind ausnahmslos mit Wahlplakaten überklebt, so dass wir uns mühselig durchfragen müssen. Schließlich finden wir den Grenzübergang dann auch, aber dort teilt man uns mit, dass dieser Grenzübergang nur für Diplomaten und Palästinenser geöffnet sei. Der Grenzübergang führt direkt in die palästinensischen Gebiete der Westbank. Aus unserer Karte geht dies leider nicht klar hervor, und in den Informationen des Auswärtigen Amts findet sich keinerlei Hinweis darauf. Manchmal fragt man sich wirklich, wofür die Kollegen eigentlich bezahlt werden.
Wir machen uns also wieder auf und steuern dieses Mal den nördlichen Grenzübergang, die Sheikh Hussein Bridge an, und werden wieder erst nach langem Suchen fündig. Bei der jordanischen Passvorkontrolle macht man uns darauf aufmerksam, dass wir mit dem syrischen Visum im Pass Schwierigkeiten haben dürften, nach Israel einzureisen. Das ist uns bekannt, aber wir haben keine andere Wahl und hoffen, dass die Israelis ein Einsehen haben und keine arabischen Spione in uns sehen werden. Trotzdem macht sich allmählich Nervosität unter uns breit, denn wir wollen unten keinen Umständen zurück in diese trostlosen arabischen Länder. Nein, wir freuen uns sogar richtig, wieder einmal westlichen Boden unter die Füße zu bekommen. Wir fühlen uns wie Nomaden in der Wüste, wenn am Horizont eine Oase auftaucht, diese aber von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben ist.
Doch erst einmal müssen wir durch die jordanische Grenzkontrolle, und hier geschieht es zu ersten Mal, dass wir komplett auseinander genommen werden. Unser Sprinter wird über eine Stunde lang von zeitweilig bis zu fünf Beamten gleichzeitig durchsucht. In unserem Fall gleicht das einer Hausdurchsuchung. Alles wird durchwühlt, und ständig heißt es „What is this?“ und „Open that!“. Währenddessen versuchen wir, wenigstens halbwegs unter Kontrolle zu halten, was die Kollegen da anstellen. Schließlich können wir uns nicht sicher sein, ob da nicht auch einmal etwas in die Hosentasche eines Beamten, oder schlimmer noch, etwas Illegales aus der Hosentasche eines Beamten ins eigene Fahrzeug wandert, um es uns im nächsten Moment triumphal unter diese Nase zu halten. Bei alledem werden wir nahezu wie Kriminelle behandelt. Man kann sich kaum vorstellen, wie unangenehm das tatsächlich ist. Und so unterschiedlich kann es an verschiedenen Grenzübergängen ein und desselben Landes zugehen.
Als die Beamten unser Hab und Gut mittlerweile schon zwei- und teilweise dreimal durchsucht haben, werden wir langsam weich und fragen einen der Beamten, was wir tun könnten, damit das irgendwann aufhört. Es wird uns versichert, bald sei es vorbei. Als es dann schließlich tatsächlich soweit zu sein scheint und wir an den nächsten Schalter fahren, um das Carnet des Passages abstempeln zu lassen, werden wir jedoch zurückbeordert. Nun wollen sich die Beamten den Sprinter auch noch von unten ansehen. Resigniert setzen wir wieder zurück, aber zu unserem Glück lassen die Beamten unerwartet wieder von ihrem Vorhaben ab. Fluchtartig verlassen wir den Grenzposten und suchen das Weite bevor sie es sich noch einmal anders überlegen!
Palmyra und Petra gehören zu den kulturhistorischen Höhepunkten weltweit und haben uns tief beeindruckt. Doch was gibt es sonst über Syrien und Jordanien zu sagen?
Das Leben in beiden Ländern ist geprägt von den Verrichtungen des täglichen Lebens. Die ausgedörrten Böden werden abgesehen vom gelegentlichen Einsatz von Traktoren überwiegend noch in Handarbeit bearbeitet. Diese Arbeit ist vor allem auch Frauensache, während die Kinder außerhalb des Schulalters Spiel und Arbeit miteinander verbinden müssen. Sie treiben allmorgendlich das Vieh auf die Felder – meist Schafe und Ziegen –, und hüten sie dort bis zur Abenddämmerung. Dann treiben sie die Tiere wieder zurück in den Stall, um den Rest des Abends im Kreis der Familie zu verbringen.
Gerne hätten wir etwas mehr Einblicke in das Leben der Menschen hier gewonnen, doch man trat uns meist zurückhaltend, oft reserviert und gelegentlich auch mit mehr oder minder offener Ablehnung gegenüber. Besonders nach den Erfahrungen in Jordanien – zuletzt gerade am jordanischen Grenzposten auf dem Weg nach Israel –, wird es uns so schnell nicht wieder hierher ziehen.
Aber nun muss uns erst einmal die Einreise nach Israel gelingen. Die israelischen Grenzkontrollen sind wegen den zahlreichen Bedrohungen die schärfsten der Welt. Unsere Anspannung wächst weiter, denn wir wollen das Prozedere auf der jordanischen Seite keinesfalls noch einmal über uns ergehen lassen müssen, falls wir an der israelischen Grenze abgewiesen werden.
Zunächst einmal stehen wir vor einer unbemannten Schranke und warten darauf, dass etwas passiert. Fünfzig Meter vor uns steht ein Bus an der Seite und wird mittels Spiegeln auf Sprengstoff untersucht. Doch die Anlage ist begrünt und wirkt nicht so kalt und abweisend wie die Grenzübergänge, die wir zuletzt gesehen haben. Überhaupt empfinden wir Grün nach der Ausgedörrtheit der letzten beiden Länder und Teilen der Türkei als wahre Wonne. Wie sehr man diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten zu schätzen lernt, wenn man sie erst einmal eine zeitlang entbehren musste.
Nach einigen Minuten kommt ein Pickup angefahren und geleitet uns zum Security Check. Junge Männer und Frauen in den Zwanzigern führen die Kontrollen durch. Sie tragen lässige Uniformen, bestehend aus schwarzen Hosen, mit weiten Hosenbeinen und aufgenähten Taschen, und weißen Poloshirts. Ein anderer junger Kerl mit Jeans und hellblauem Poloshirt trägt ein Maschinengewehr im Anschlag. Wir sind beeindruckt, dass man hier nicht auf offen zur Schau getragene, militärische Autorität setzt, wie man es sonst gewöhnt ist.
Auch unserer Sprinter wird auf Sprengstoff untersucht. Währenddessen werden unsere Pässe einer Vorkontrolle unterzogen und wir befragt, woher wir gekommen sind. Der Wahrheit entsprechend geben wir auch Syrien zu Protokoll. Da man uns nicht gleich wieder zurückschickt, können wir ein erstes Mal leicht aufatmen. Wir erhalten einen Zettel mit einer Übersicht der vier Stationen, die wir bei den Grenzkontrollen durchlaufen müssen. Er wird, vollständig abgestempelt, später unser Passierschein sein, der uns die Pforten zu Israel öffnet – oder auch nicht. Die erste Hürde wäre damit schon einmal genommen.
Nun heißt es warten auf die Gepäckkontrolle, etwa eine Stunde lang. Das wiederum läst nichts Gutes ahnen. Anscheinend bereitet man sich da auf Größeres vor. So wäre es normalerweise dann auch gekommen. Die Regularien sehen vor, dass jedes, das heißt wirklich jedes Gepäckstück mit Röntgenstrahlen durchleuchtet und durchsucht werden muss – in unserem Fall eine abendfüllende Aufgabe. Doch angesichts der Mengen von Sachen, die wir mit uns herumkarren, haben die Israelis tatsächlich ein Einsehen und beschränken sich nach langer interner Diskussion auf die Durchsuchung unserer Taschen. Sie nehmen sogar Abstriche von der Kameraausrüstung, um sie chemisch, wahrscheinlich auf Sprengstoff und eventuell auch auf Drogen, zu untersuchen.
Wir haben nichts zu verbergen, und so werden wir schließlich zur Passkontrolle gebeten. Den zweiten Stempel auf dem Passierschein haben wir damit in der Tasche. Wenn wir durch die Passkontrolle durch sind, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Auch dort fragt uns eine hübsche, erstaunlich junge Frau nach den Ländern, die wir bereist haben – auch hier antworten wir wahrheitsgemäß. Alles kein Problem. Die regelrechten Verhöre, die so mancher Reisender über sich ergehen lassen muss und so manchen auch schon haben scheitern lassen, bleiben uns erspart. Nur wenige Schritte von uns entfernt wird ein harmlos aussehender Reisender regelrecht auseinander genommen. Hingegen werden wir freundlich gefragt, ob wir den israelischen Einreisestempel gerne in unserem Pass oder auf einem Extrablatt haben möchten. Die Israelis kennen die Schwierigkeiten, die ihr Stempel im Pass bei der Einreise in einige arabische Länder verursacht, sehr genau und erleichtern den Reisenden damit das Leben. Natürlich lassen wir uns den Stempel auf ein Extrablatt geben.
Abgesehen vom Einreisestempel haben wir nun schon den dritten Stempel auf unserem Passierschein und müssen nur noch durch den Zoll. Wir werden von einem jungen Sicherheitsdienstmitarbeiter mit unserem Sprinter zu einer großen Halle mit mehreren haushohen Eingangstoren geleitet. Er klärt die dortigen, ebenfalls noch recht jung aussehenden Kollegen über uns auf. Der Gestik nach zu urteilen diskutieren sie lange, was alles durchsucht werden soll, und was nicht. Obwohl sich auch hier letztere Frage im Normalfall gar nicht stellt, denn auch hier gilt an der israelischen Grenze die Regelung: alles, aber auch absolut alles muss durchsucht werden.
Der Zoll nimmt einen entsprechend großen Bereich auf dem Grenzübergangsgelände ein mit insgesamt mehreren großen Hallen sowie Be- und Entladestationen, ja sogar Silos, in die entsprechendes Transportgut zwecks Durchsuchung umgeladen wird. Überall fahren Gabelstapler und Sicherheitsdienstfahrzeuge geschäftig hin und her. Die ganze Szenerie gleicht mehr der Logistik eines Flug- oder Schiffshafens. Unser Sprinter wird schließlich in eine der Hallen gefahren, und das mächtige Rolltor schließt sich hinter ihm. Wir machen es uns am Randstein gemütlich, warten und freuen uns heimlich, still und leise, dass wir schon mit einem Fuß in Israel sind. Während wir so vor uns hinwarten, kommt wieder einer dieser jungen, völlig untypisch gekleideten Sicherheitsleute mit Maschinengewehr im Anschlag vorbei. Er hat zwei Becher Wasser in der Hand und reicht sie freundlich zu uns herunter. Kaum zu glauben, oder? Der Schluck Wasser kam uns gerade recht. Und nach einer weiteren Stunde öffnet sich dann endlich das Rolltor, und unser Sprinter kommt wieder herausgefahren.
Nun müssen wir beim Zoll nur noch ein paar Formalitäten erledigen, und dann sind wir endlich in Israel. Sie sind dann auch bald problemlos erledigt. Dabei unterhalten wir uns noch sehr nett mit dem, wie könnte es anderes sein, ebenfalls noch recht jungen und erfrischend unverbrauchten Zollbeamten, der nebenbei bemerkt ebenfalls nicht so streng uniformiert war, wie man sich einen Zollbeamten so vorstellt. Innerlich schon unser ganzes Glück hinausschreiend sehen wir zu, wie auch der letzte Stempel seine Verewigung auf unserem Passierschein findet. Gleich haben wir es geschafft. Am letzten Kontrollposten zeigen wir, uns mit Gefühlsausbrüchen immer noch zurückhaltend, aber überglücklich, unseren Passierschein vor. Die Schranke hebt sich, und zum Abschied werden wir von den jungen, hübschen Schrankenwärterinnen in Israel willkommen geheißen. Hallo Israel!