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  • Zu Gast bei ADRA in Mocuba

    Wir sind völlig erschöpft, als wir Mocuba in Mosambik erreichen. Den ganzen Tag lang wurden wir auf einer schlaglochübersähten Piste durchgeschüttelt, die über 200 km von der malawisch-mosambikanischen Grenze ins Landesinnere führt. Manche der Löcher waren so breit wie die Piste selbst und so tief, dass wir bis zur Motorhaube in die erdige Brühe eintauchten. Wir konnten nur erahnen, wo genau wir da eigentlich gerade hinein fuhren und wie tief es gehen konnte. Allzu vorsichtig hinein fahren konnten wir auch nicht, sonst hätten wir riskiert, auf der anderen Seite nicht wieder heraus zu kommen. Und wer will schon hilflos dabei zusehen, wie das Auto langsam mit rotbraunem Wasser voll läuft?

    Der Tag hatte schon schlecht angefangen am malawischen Grenzposten, nachdem der Beamte vom Immigration Office den Einreisestempel in meinem Pass mit einem kurzen Blick geprüft hatte.
    „Was glauben Sie, welcher Tag heute ist? Sie haben die maximale Aufenthaltsdauer des Transitvisums weit überschritten!“
    „Es ist noch keine Woche her, seit wir nach Malawi eingereist sind. Wir haben ein Transitvisum für eine Woche bekommen.“
    „Ist das da in Ihrem Pass etwa eine Sieben?“, fragt er mich provozierend und zeigt dabei auf eine nicht zu verkennende Zwei.
    Im Pass steht ein nicht zu entziffernder, handschriftlicher Code, so etwas Ähnliches wie ‚TIP20-Y‘.
    „Nein, das ist offenkundig eine Zwei.“
    Der Beamte sieht sich triumpfierend bestätigt.
    „Mich interessiert nicht, was da steht. Das ist ein für mich nicht zu entziffernder Code, und die Aussage des Einreisebeamten, wir hätten eine Woche, war unmissverständlich.“, entgegne ich aufgebracht.
    „Im Pass steht ‚Transit Immigration Permit, 2 DAYS‘, und es steht absolut in Ihrer Verantwortung, sich über die Bedeutung zu informieren.“
    „Es ist mir egal, was dort steht, solange es dort nicht im Klartext steht und mir unmissverständlich erklärt wurde, wir hätten eine Woche. Es ist gar nicht möglich, Malawi in zwei Tagen zu durchqueren.“
    „Das ist sogar in nur einem Tag möglich.“, prahlt er.
    „Wohl kaum!“, denke ich.
    Selbst in zwei Tagen müsste man schon sämtliche Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen missachten und dabei die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nehmen.
    „Mag schon sein, aber nicht mit unserem Auto!“, zeige ich nach draußen.
    Er überlegt einen Moment und nimmt wortlos Christianes Pass in Augenschein.
    „Hier ist es richtig eingetragen: sieben Tage.“
    „Na also, habe ich doch gleich gesagt.“, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass das kein Versehen war.

    Wenn wir erst einmal Mocuba erreicht haben, haben wir die Schlaglöcher hinter uns, dachten wir. Weit gefehlt. Von den ehemaligen Straßen sind eigentlich nur noch Schlaglöcher übrig. Keine Chance, sie zu umfahren. Dabei sieht Mocuba so aus, als ob es unter der portugiesischen Kolonialherrschaft eine wahre Blüte erlebt hatte. Koloniale Promenaden und Gebäude zeugen davon. Doch die Promenaden sehen aus, als ob Splitterbomben darüber niedergegangen wären. Anstelle von Straßen mit Schlaglöchern wäre es treffender, von Schlaglöchern mit gelegentlicher Teerumrandung zu sprechen. Zwei Promenaden führen annähernd parallel ins Zentrum. Die erste, für die wir uns entscheiden, endet jäh vor einem ehemals prunkvoll angelegten Kreisverkehr mit einem Monument in der Mitte und einem roten, fünfzackigen Stern darauf. Die Zufahrt zum Kreisverkehr ist auf beiden Straßenseiten durch tiefe, regenwassergefüllte Bombenkrater versperrt. Selbst ein Geländewagen würde darin vollkommen versinken. Seit dem Bürgerkrieg in den achtziger und frühen neunziger Jahren scheint hier nichts wiederaufgebaut worden zu sein. Die verfallenen Gebäude außerhalb des Stadtzentrums scheinen leblos. Wir haben das Gefühl, in eine Geisterstadt hinein zu fahren.

    So verfallen sich die Stadt präsentiert, haben wir wenig Hoffnung, eine für unser Auto geeignete Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Niemand scheint Englisch zu sprechen, ausschließlich Portugiesisch. Beinahe haben wir die Suche schon aufgegeben, als wir auf Claudinei treffen, einen Brasilianer mit breitem Lächeln, der in Mocuba arbeitet.
    Claudinei engagiert sich im Hilfsprojekt ADRA. ADRA betreibt Aufklärung zur Vorbeugung gegen Malaria und entsendet Mitarbeiter ins Umland Mocubas. Auch Claudinei ist einer von ihnen und sorgt außerdem für den seelischen Beistand bei ADRA.

    ADRA

    Für uns nimmt Claudinei sich alle Zeit der Welt, um uns bei ADRA herumzuführen und die Arbeit der Organisation vorzustellen. Wir sind erstaunt zu erfahren, dass die ansässigen Ärzte nur Malaria Tropica erkennen können. Wenn ein Patient mit einem anderen Malariaerreger infiziert war, wurde dies nicht erkannt. Heute verabreicht man sicherheitshalber Antimalaria-Cocktails, die sowohl Antibiotika als auch Chloroquine enthalten, um gegen alle Malariaerreger wirksam zu sein. Die Realität steht hier im krassen Widerspruch zu der häufigen, auch von Ärzten zu hörenden Aussage, in den betroffenen Ländern selbst könne dem Patienten stets am besten gegen Malaria geholfen werden. Im Zweifelsfall sollte man sich darauf nicht verlassen.

    Besuch bei ADRA in Mocuba

    Besuch bei ADRA in Mocuba

    Besuch bei ADRA in Mocuba

    Besuch bei ADRA in Mocuba

    Durch Claudinei kommen wir auch zu einer Übernachtungsmöglichkeit. Er verschafft uns die Erlaubnis, auf dem Innenhof von ADRA zwischen all den Motorrädern und Geländewagen, mit denen die Mitarbeiter hinausfahren, übernachten zu dürfen. Wir danken ihm dafür herzlich, und so hat der Tag doch noch ein versöhnliches Ende genommen.

    Besuch bei ADRA in Mocuba

    Besuch bei ADRA in Mocuba