Die letzten Tage sind wir am Westufer des Malawisees entlang quer durch Malawi gefahren. Malawi gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, die Kindersterblichkeitsrate ist die weltweit höchste. Jetzt am Ende der Regenzeit präsentiert Malawi sich uns in voller Schönheit: grün, natürlich, bergig und nicht zu vergessen der tiefblaue Malawisee.
Der Malawisee erstreckt sich von Nord nach Süd durch fast ganz Malawi. Die Landschaft entlang des Malawisees wird agrarwirtschaftlich genutzt. Mais- und Reisfelder wechseln sich ab. Hinter Mzuzu folgen große Kautschukplantagen; Kinder und Jugendliche stehen überall am Straßenrand und verkaufen einfach gearbeitete Gummibälle aus Kautschuk. Unten im Süden dann schließlich gibt es viele Teeplantagen, die noch aus der britischen Kolonialzeit stammen.
Berühmt ist der Malawisee für seine farbenfrohen Fischarten. 80 Prozent davon sind endemisch – sie kommen nirgendwo sonst vor auf der Erde. Wer ein Süßwasseraquarium sein Eigen nennt, hat darin sehr wahrscheinlich auch Fische, die ursprünglich aus dem Malawisee stammen. Der See ist deshalb auch dafür berühmt, das beste Süßwassertauchrevier der Welt zu sein. Wir machen davon allerdings keinen Gebrauch, denn wir haben nur ein Transitvisum für sieben Tage.
An der Grenze wollte man von uns eine feste Adresse in Malawi, an der wir uns aufhalten würden. Als wir erklärten, dass wir eigentlich mehr oder weniger durch Malawi durchfahren und an wechselnden Orten campen würden, hat man uns kurzer Hand ein Transitvisum verpasst. Aber immerhin ist es kostenlos. Und wir haben Glück gehabt, dass wir überhaupt in Malawi einreisen durften. Wie viele afrikanische Länder verlangt Malawi von den Einreisenden eine Gelbfieberimpfung. Wir beide haben uns diese Impfung vor Reiseantritt geben lassen, und in Christianes Impfpass ist sie auch ordnungsgemäß eingetragen. In meinem Impfpass jedoch herrscht auf der für die Gelbfieberimpfung vorgesehenen Seite gähnende Leere. Glücklicherweise drückte die Kontrolleurin ein Auge zu. Später haben wir mit etwas mehr Ruhe festgestellt, dass die Gelbfieberimpfung bei mir lediglich auf einer falschen Seite im Impfpass eingetragen war.
Unterwegs entlang des Malawisees haben wir bereits mehrere Male gecampt. Die Camps am Malawisee sind schwer zu finden, da sie nur auf engen, sandigen, dicht bewachsenen Pfaden zu erreichen sind, die man kaum als Wege erkennt. Gut, dass wir das GPS haben, sonst wären wir auf der Suche nach den Camps ein ums andere Mal vorzeitig umgekehrt.
In den malawischen Camps soll viel geklaut werden. Und tatsächlich ist es uns zum ersten Mal auf unserer Reise passiert: Ausgerechnet das GPS ist weg. Nach langer erfolgloser Suche mussten wir uns eingestehen, dass das GPS nur geklaut worden sein konnte, denn bei der Ankunft im Camp hatten wir es noch. Keine zehn Meter vom Sprinter entfernt und in Sichtlinie hatten wir nur fünf Minuten lang Wäsche aufgehängt. Dabei hatten wir wegen der Hitze ausnahmsweise die Türen des Sprinters offen gelassen. Es muss jedoch kein Einheimischer gewesen sein, denn auch ein großer Overland-Truck mit zahlreichen Backpackern hatte im Camp sein Lager aufgeschlagen. Man hört, dass auf diesen Touren viel geklaut wird.
Nach dem Diebstahl hat uns natürlich nicht mehr viel in diesem Camp gehalten. Deshalb fahren wir weiter zum Camp Fat Monkeys in der Monkey Bay am südwestlichen Zipfel des Malawisees.
Die Monkey Bay ist eine wunderschöne, friedliche Bucht mit vorgelagerten, baumbewachsenen Inseln. Hier machen wir es uns nun gemütlich, um den Diebstahl zu verdauen.
Doch die Ruhe währt nicht lange, denn urplötzlich sehen wir uns Auge in Auge mit einem Einbrecher: Eine Ratte ist in unserem Sprinter! Sie muss von einem Ast des Baums, unter dem wir stehen, auf unser Dach und durch die offene Dachluke auf das zugezogene Insektenrollo gesprungen sein. Das Rollo ist dabei wie ein Blitz aufgesprungen, und unversehens fand sich die Ratte im Inneren unseres Sprinters wieder. Das war ihr erster Fehler, denn Ratten in unserem Zuhause mögen wir überhaupt nicht.
Ihr zweiter Fehler ist, dass die Ratte sich ausgerechnet in den Spalt zwischen unserem Bett und unserem Kleiderschrank verkriecht. Unser Bett besteht im Grunde genommen aus drei schweren Sperrholzplatten, die links und rechts auf Schienen aufliegen. Wenn man die Platten auf einer Seite anhebt, knallen sie auf der anderen Seite herunter – in unserem Fall auf den Schrank und somit die Ratte. Die Ratte ist eingeklemmt und quiekt Mitleid erregend. Eigentlich möchte ich sie nicht töten, aber wenn sie uns entwischt, kann sie sich irgendwo unerreichbar im Sprinter verkriechen. Schweren Herzens gebe ich einen donnernden Schlag auf die Platte – dann ist die Ratte still.
Für die Aufregung entschädigt werden wir durch die einzigartigen Abendstimmungen hier in der Bucht – allerdings erst nachdem wir den Strandverkäufern nachdrücklich klar gemacht haben, dass wir allein sein möchten. Frühzeitig verschwindet die Sonne hinter dicken, dicht über dem Horizont hängenden Wolken und taucht die Bucht in tiefblaue Töne. Dazu wogt der Malawisee sanft und friedlich an seine Ufer.