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  • Fazit Türkei und Einreise Syrien

    Die Türkei ist ein großartiges Reiseland. Kulturhistorisches und Naturschönes gibt es in der Türkei in ungeahnter Fülle. Trotz ihrer geografischen Lage auf zwei kulturell völlig unterschiedlichen Kontinenten wirkt die Türkei nicht wie ein zweigeteiltes Land: Die Türkei ist ein orientalisches Land, sie ist aber auch ein viel europäischeres Land, als so mancher Europäer sich dies vorstellen wird. Die Kulturen verschmelzen in der multikulturellen Metropole Istanbul auf ganz natürliche Weise zu etwas Neuem. Besonders abends und an den Wochenenden sprudelt die Stadt nur so vor Leben.
    Bei der übrigen Türkei muss man zwischen den Küstenregionen und dem Landesinneren unterscheiden. An den Küsten findet sich die ganze Palette von einsamen Sandstränden über gemäßigte Urlaubsgebiete bis hin zu Stränden, wie man sie in berüchtigten Ecken Mallorcas vorfindet. Mit anderen Worten: Für jeden Geschmack ist etwas dabei, und dazu kommen zahlreiche kulturelle und naturelle Sehenswürdigkeiten, die von den Küstenorten aus gut zu erreichen sind. Es ist immer eine Reise wert, hierher zu kommen und sich nicht nur auf einen reinen Strandurlaub einzustellen.
    Weiter im Landesinneren kann sich dann mitunter jedoch auch schnell ein leichter Kulturschock einstellen. Die Zeit scheint hier in vielerlei Hinsicht vor 200 Jahren stehen geblieben zu sein. Die meisten Menschen sind einfache Bauern und leben zu einem beträchtlichen Teil noch in ärmlichen Lehmhütten. Es ist ein hartes Leben, wie man den vom Leben gezeichneten Gesichtern entnehmen kann, was kein Wunder ist bei der extremen Trockenheit und Kargheit des Landes, in dem kaum ein Baum wächst. Zudem ist das Bildungsniveau sehr niedrig. Doch die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, wie auch in der ganzen Türkei.
    Wie oft sind wir mit einem Lächeln empfangen und mit Geschenken reichlich bedacht worden. Eine wunderschöne Sitte ist das türkische Nationalgetränk, der Chai, ein kräftiger schwarzer Tee, der mit viel Zucker zu jeder Gelegenheit getrunken und als Zeichen der Gastfreundschaft angeboten wird.
    Schön waren auch die Begegnungen an den vielen Tankstellen, die wir im Laufe der drei Wochen in diesem Land ansteuerten. Mal gab es eine Flasche Zitronensprudel mit auf den Weg, mal ein paar Päckchen Waschmittel und feuchte Tücher, und selbst an Tankstellen, an denen wir nicht getankt hatten und trotzdem übernachten durften, versorgte man uns mit Chai, spendierte man uns eine kostenlose Wagenwäsche oder einfach nur ein herzerfrischendes Lächeln.
    Die schönste Begebenheit in dieser Hinsicht war, als am Ende des Ramadan eine türkische Familie am Strand von Olympos mit zwei großen Stücken „Festival Cake“ auf uns zukam und sie uns feierlich überreichte – einfach so!

    „Das Land öffnet sich mehr und mehr für den internationalen Tourismus. Allerdings sollten derzeit die Erwartungen an eine für Touristen erforderliche Infrastruktur noch nicht zu hoch gesteckt werden.“, so steht es in den Informationen des Auswärtigen Amts zu Syrien. Da sind wir doch mal gespannt.
    Zunächst mussten wir uns in Istanbul ja erst einmal Visa beschaffen, was nicht gerade für eine Offenheit Syriens gegenüber Touristen spricht. In Jordanien beispielsweise bekommt man das Visum mittlerweile schon an der Grenze. Andererseits bekommt man für Saudi-Arabien praktisch gar kein Visum: Man erhält maximal ein Drei-Tage-Transitvisum, und das aber auch nur, wenn man eine Einladung in das Land vorzuweisen hat, die wiederum man eigentlich nur bekommt, wenn man dort geschäftlich mit einem inländischen Unternehmen zu tun hat. So gesehen wäre es noch vergleichsweise leicht gewesen, ein Visum für Syrien zu bekommen, wenn da nicht der Haken wäre, dass Syrien zusätzlich zum Antrag ein Empfehlungsschreiben verlangt. Dieses Empfehlungsschreiben, das eine deutsche Botschaft oder ein deutsches Konsulat ausstellen muss, erhält man offiziell gar nicht mehr.
    Als wir beim Deutschen Konsulat in Istanbul vorsprachen, wollte man uns mit der klaren Aussage wieder fortschicken, dass diese Empfehlungsschreiben nicht mehr ausgestellt würden. Gut, dass ich zuvor beim Konsulat angerufen und anscheinend einen guten Eindruck gemacht hatte, denn die freundliche und hilfsbereite Konsulatsangestellte am anderen Ende der Leitung hatte mir zugesichert, wir würden die Empfehlungsschreiben bekommen, wenn wir den Nachweis erbrächten, dass wir uns von Stuttgart offiziell abgemeldet haben.
    Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, dass wir die Abmeldebescheinigung jemals brauchen würden. Was hatten wir nicht alles an Dokumenten eingesteckt, kopiert, gescannt, deponiert und sonst wo hin redundant gespeichert. Aber an unsere Abmeldebescheinigungen hatten wir nicht gedacht. Doch wir konnten von Glück sagen, dass die auf einmal so wichtigen Abmeldebescheinigungen von meinen Eltern schnell gefunden und zugefaxt waren. Auch diese Hürde war also genommen, und der zunächst abweisende, sich dann aber als sehr freundlich und hilfsbereit herausstellende Beamte des Deutschen Konsulats legte uns die durchaus existierenden Formulare zur Beantragung der Empfehlungsschreiben vor.
    Wenig später hielten wir tatsächlich die begehrten Empfehlungsschreiben in der Hand, mit denen wir erneut beim Syrischen Konsulat vorstellig wurden. Dort gaben wir unsere Anträge nebst je zweier Passfotos ab. Die westlich gekleidete, junge Dame, die alles entgegen nahm, lachte sich erst einmal schlapp, als sie das Passfoto von Christiane mit Kopftuch sah und zeigte es bei ihren ebenfalls nicht Kopftuch tragenden Kolleginnen herum. Und drei Stunden später hielten wir dann endlich unsere Visa für einen fünfzehntägigen Syrienaufenthalt in der Hand.
    Eigentlich hatten wir Visa für vier Wochen beantragt, aber die sollen wir ohnehin nicht brauchen, wie sich nun am syrischen Grenzübergang herausstellt. Zunächst können wir aber erst einmal von Glück sagen, dass wir nicht gleich an der Passkontrolle auf dem heruntergekommenen und unübersichtlichen Grenzgelände scheitern. Nicht etwa wegen eines israelischen Stempels in unseren Pässen, der ein absolutes „No Go“ wäre, sondern weil wir eine Adresse im Land benötigen, über die wir zu erreichen sind. Da wir campen wollen, verweisen wir schließlich auf die Deutsche Botschaft in Damaskus. Die englische Übersetzung „German Embassy“ kann oder will der noch recht junge, hagere Beamte mit dünnem Schnurrbärtchen aber nicht verstehen. Als ein drängelnder Araber seinen Pass mit einem Geldschein darin an mir vorbei reicht, werden mir die Verständnisprobleme schlagartig klar. Allerdings hält der korrupte Beamte unsere Pässe schon in der Hand. Also kann ich kaum noch dezent einen Geldschein hineinlegen, und den Schein einfach offensichtlich hinüber zu reichen, rede ich mir auch aus. Obwohl der feiste Chef des Angestellten, der im Hintergrund herumläuft und seine Autorität zur Schau trägt, im selben Moment in seine Hosentasche greift, ein Geldbündel so dick wie zwei Zigarettenschachteln, herausholt und beginnt, durchzuzählen.
    Ich gehe zurück zum Wagen und schreibe aus unseren Informationen des Auswärtigen Amts die Adresse der Deutschen Botschaft in Damaskus ab und werde erneut am Schalter vorstellig. Die Adresse scheint eine Postfachadresse zu sein und sieht mehr nach einer Telefonnummer aus. Prompt fragt mich der Beamte, was das denn sein soll. „Die Adresse!“, beharre ich. Glücklicherweise kommt mir in diesem Moment ein Busfahrer zur Hilfe, der bestätigt, dass es sich um eine ganz normale Adresse und nicht um eine Telefonnummer handelt. Da das Ganze nun wohl schon seit einer viertel Stunde hin und her geht, vergeht dem Beamten dann wohl auch die Lust, und er beginnt endlich unsere Einreiseformalien weiter zu bearbeiten. Noch einmal Probleme gibt es, als er unsere Berufe wissen will. Schlecht vorbereitet antworte ich „IT-Consultant“ und erkläre sodann, dass das „IT“ für „Information Technology“ stehe. Dass er damit genauso wenig anfangen kann, hätte ich mir natürlich denken können. Doch dann kommt mir der rettende Einfall, und ich gebe als meinen Beruf „Computer“ an. Das schluckt er dann endlich.
    Doch damit ist die Einreise noch lange nicht durch. Als nächstes müssen wir beim Zoll vorstellig werden. Da sitzen zwei Typen wie Patt und Patterchon, beide kräftig gebaut, der eine vermutlich ein Frauenschwarm, mit klaren, braun-grünen Augen und schelmischem Gesichtsausdruck, und der Andere das genaue Gegenteil mit Eierkopf und Mönchsfrisur, aber ebenfalls mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Hoffentlich wird das jetzt nicht allzu teuer, denke ich schon, und dann kommt auch prompt die unheilvolle Frage: „Diesel?“ Oh, oh, ich soll rüber zur Bank.
    Ein Fettsack mit glasbausteindicken Gläsern in einem Hornbrillengestell und einem dicken Bündel Hundertdollarscheine in der Hand will mir zweihundertfünfzig Dollar abknöpfen. Ich schlucke schwer, als ob ich der Fettsack wäre und den ganzen Tag hier sitzen müsste. Fünfzig Dollar für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, weil Syrien die Grüne Versicherungskarte nicht akzeptiert, und zweihundert Dollar Dieselsteuer für zwei Wochen. Liebes Auswärtiges Amt, wären diese Summen nicht einmal eine Erwähnung wert in euren Informationen? Glücklicherweise kommt mir der Gedanke, dass es bei einem nur einwöchigen Aufenthalt vielleicht billiger werden könnte. An der stattlichen Versicherungssumme ändert sich damit zwar nichts. Aber zumindest halbiert sich tatsächlich die Dieselsteuer.
    Gut, bleiben wir in eurem Land eben nur eine Woche und geben weniger Geld aus. Allerdings muss man dazu sagen, dass ein Liter Diesel in Syrien den lächerlichen Betrag von umgerechnet zehn Cent kostet. Ein Liter Milch kostet demgegenüber sage und schreibe das Fünffache. Auf diesem Weg holt sich der Staat von den motorisierten Touristen, was diese sonst gegenüber den heimischen Spritpreisen sparen würden. Andererseits ist Syrien ein kleines Land, und wenn man in einer Woche die Strecke zurücklegt und das vertankt, was man sonst in zwei, drei oder vier Wochen zurücklegen beziehungsweise vertanken würde, dann ist das Resultat lediglich, dass die Touristen in Syrien weniger für Verpflegung und Unterkunft ausgeben.
    Hundertfünfzig Dollar leichter gehe ich also zu Patt und Patterchon zurück und lege die Belege vor. Während sie die Dokumente bearbeiten fangen sie eine Diskussion über Fußball mit mir an. „Bayern Munich“ ist ihr Lieblingsverein. Mir ist zwar nicht nach einer Diskussion über Fußball, aber ich habe auch das Gefühl, dass es unklug wäre, nicht auf das Spielchen einzugehen. Spitzenverein sage ich, aber da Christiane und ich zuletzt bekanntlich in Stuttgart gelebt haben, bringe ich natürlich den aktuellen Deutschen Meister Stuttgart ins Spiel. Auch wenn es mir selbst egal wäre, wenn Stuttgart in der Amateurliga spielen würde. „Yes, Stuttgart, German football champion!“ wiederholen sie anerkennend und tuscheln noch ein wenig in Arabisch. Dann verlangen sie zwei Dollar Gebühr für den Stempel unter das Carnet de Passages, ein Zolldokument, das in vielen Ländern Asiens und Afrikas bei der Ein- und Ausreise abgestempelt werden muss. Mit dem Carnet de Passages sollen Autoschiebereien unterbunden werden. Wenn ein eingeführtes Fahrzeug nicht nachweislich wieder ausgeführt wird, gilt es als im jeweiligen Land verhökert, und es werden in der Regel horrende Zollgebühren, oft bis zur Höhe des geschätzten Fahrzeugwertes, erhoben, für die beim Automobilclub des Heimatlandes eine stattliche Kautionssumme hinterlegt werden muss.
    Habe ich es mir doch gedacht! Aber zwei Dollar scheinen mir zu günstig, als dass ich eine Diskussion anzetteln würde. Also überreiche ich sie bereitwillig und bin erleichtert.
    Die anschließende Zollkontrolle ist auch nicht weiter nennenswert, und nach zwei Stunden sind wir endlich in Syrien!